Rezension | "Wolkentage" - Alice Brière-Haquet & Monica Barengo

Montag, 31. Juli 2023

Guten Abend ihr Lieben,

zu später Stunde melde ich mich heute mit einem Kinderbuch, das ich schon vor einiger Zeit aus dem Carl-Auer-Verlag erhalten habe. Bisher war so viel für die Uni zu schreiben und naja, das reale Leben in der Schule, dass mir abends die Worte für den Blog gefehlt haben. Nun komme ich in der Hinsicht langsam wieder zu mir und beginne, alles auf- und nachzuarbeiten...

Das Buch, um das es heute geht, ist zwar in der Kinderbuchabteilung des Verlags erschienen und enthält ein Nachwort für Eltern und Erzieher, ich würde es jedoch nicht unbedingt ausschließlich für Kinder vorsehen. Warum das so ist und wieso ich das Buch zwar ganz toll finde, aber auch kritisieren muss, erkläre ich gleich - Vorher kommt jedoch der Klappentext:

Manche Tage sind so: nichts gelingt uns. Der Kopf scheint von einer Wolke umhüllt. Aus heiterem Himmel überfällt uns eine trübselige Stimmung. Alles erscheint grau und freudlos. Wir fühlen uns hilflos und ausgeliefert. Da bleibt nichts, als sich im Bett zu verkriechen. Doch wenn wir zu warten wissen, ein wenig aushalten und alles geschehen lassen, dann können wir erleben, dass am nächsten Morgen die Wolke fortgezogen ist. Und das Leben fühlt sich so frisch und klar und strahlend an wie die Natur nach einem Regenguss, wenn die Sonne wieder scheint. Eine Geschichte, die von unseren schlechten Tagen erzählt, von Traurigkeit und Stimmungsschwankungen, die uns überfallen und uns blockieren. Es zeigt sich, dass mit etwas Geduld und Vertrauen oft schon nach kurzer Zeit die Wolke fortzieht, das Tief verschwindet und wir erfrischt und erneuert unser Leben wieder in die Hand nehmen können. (Quelle: Carl Auer Kids)

"Wolkentage" ist ein Bilderbuch, das mit ganz, ganz wenig Worten auskommt. Es ist eine kleine Geschichte, die Mut macht und tröstet, wenn alles grau und traurig ist. In der Geschichte geht es um niemand Bestimmtes, sondern um jeden, der sich schon einmal so gefühlt hat oder als Angehörige*r davon betroffen ist:
Es gibt Tage, die sind
irgendwie seltsam.
Nichts klappt so richtig,
und du weißt nicht, warum.
(Wolkentage, erster Satz)

Es geht um die Traurigkeit und die Lähmung, bei der man einfach im Bett bleiben will und die Zeit sich wie Kaugummi zieht. Ich persönlich kann mir dieses Buch immer und immer wieder zur Hand nehmen, drin blättern, sinnieren und hoffen. Die wenigen Worte im Zusammenspiel mit den kunstvollen und minimalistischen Zeichnungen sprechen so viel aus, was nicht in Worte gefasst werden kann. 
Die Illustrationen sind bis zur letzten Seite in dem gleichen Sepia wie auf dem Cover gehalten und es passt so gut, diese unbestimmte, leere Farbe. 
Aber es spendet Trost, denn am Ende wird alles gut. Und auch das gefühlvolle gemeinsame Traurigsein kann helfen. Ich erinnere mich noch an eines meiner ersten Kinderbücher, "Die traurige Maus" von Ted Sieger. Im gesamten Buch wird von der Maus erzählt, die mutterseelenallein und todunglücklich mit ihrem kleinen Koffer voller Hab und Gut in der weiten Welt steht, es regnet und sie weiß nicht, wohin sie soll. Irgendwann trifft sie andere Tiere, die sie trösten und ihr eine neue Gemeinschaft und ein Zuhause anbieten. Ich habe damals beim Lesen immer geweint, weil ich so mit der kleinen Maus mitgefühlt habe. So ähnlich geht es mir mit "Wolkentage". Es ist ein ganz seltsames Gefühl.
Ich weiß nicht genau, wie ich das Buch mit Kindern lesen würde, aber ich denke, intensive Gespräche sind notwendig, um zum Ende des Buches auch das Gefühl der Hoffnung zu verinnerlichen.
Das Ende von "Wolkentage" und die Botschaft hat mich nachdenklich gemacht, denn es wird mehr oder weniger gesagt, schlaf eine Nacht drüber und morgen ist alles wieder gut. Ich denke, bei kindlicher Traurigkeit kann das schon so sein, aber da das Buch auch für Kinder psychisch kranker Eltern empfohlen wird, werden diese Kinder sicher längst erfahren haben, dass so eine Traurigkeit nicht am nächsten Tag vorbei ist. Natürlich wäre es ganz schön doof, das Buch zu beenden mit "Morgen ist alles wieder gut. Oder auch nicht.", aber ein kleiner Teil von mir hat beim Lesen die Plattitüden befeuert gesehen, die sich eh viel zu stark in der Gesellschaft halten, wenn es um das Ernstnehmen von Depression und Co. geht. Aber vielleicht bin ich da auch etwas zu empfindlich? Andererseits ist es manchmal auch schwer, zu unterscheiden, ob es eine depressive Phase oder eine Ein-Tages-Traurigkeit ist und dieses Buch kann dann möglicherweise dabei helfen, sich das kleine bisschen Zuversicht für den nächsten Tag zu bewahren. 

Ich denke, neben der Intention als Kinderbuch ist "Wolkentage" auf jeden Fall auch für Erwachsene wie mich geeignet, die in Büchern das verbale und visuelle In-den-Arm-genommen-werden suchen, das manchmal nur ein Buch geben kann. <3

Bis dahin,
Isa


Bibliographische Angaben:
Alice Brière-Haquet & Monica Barengo - "Wolkentage"
Carl-Auer Kids
32 Seiten, Gb, 2016 Format: 21 x 27 cm 
ab 6 Jahren
Erscheinungsdatum: 15.09.2016
978-3-8497-0150-5

2 Kommentare

  1. Hallo liebe Isa,
    was für eine interessante Buchvorstellung! Ich muss sagen, dass ich beim Lesen deines Beitrages auch den ein oder anderen Einwurfgedanken hatte. Ich hätte alleine beim Cover schon nicht gedacht, dass es sich hier um ein Kinderbuch handelt. Das fand ich schon sehr interessant. Das Thema hat mich persönlich sehr angesprochen. Ich habe mich dann aber auch schnell gefragt, ob es was für die kleinen LeserInnen ist. Denn oft handelt es sich ja bei kindlicher Traurigkeit doch eher um einen Momentanzustand. Eben das, was das Buch dann auch mit der Lösung abtut, dass man nur eine Nacht drüber schlafen muss. Der neue Tag bringt dann meist neue Gefühle und Gedanken mit sich.

    Ich muss aber auch sagen, dass ich schon während des Lesens dachte, dass die Botschaft aber auch scheinbar in eine andere Richtung zu gehen scheint. In eine tiefere. Und das bestätigst du. Ich denke auch, dass "einmal drüber schlafen" dann nicht der richtige Weg ist, der hier aufgezeigt werden darf.

    Ich verstehe deine Kritik und finde sie durchaus berechtigt.

    Vielen Dank für diese interessante Vorstellung.

    Liebe Grüße
    Tanja :o)

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    1. Liebe Tanja,
      da sagst du ein paar wichtige Dinge. Mir wurde vom Verlag mitgeteilt, sie würden es heute wohl in einer anderen Form verlegen und ich denke, das geht schon auch in die Richtung, dass in den letzten Jahren die Debatte um Depression und Handlungsempfehlungen dazu ziemlich Fahrt aufgenommen hat und entsprechend ein Umdenken im Bezug auf "Morgen sieht alles besser aus" stattfand. Ja, sowohl Kinder als auch Erwachsene können mal für einen Tag oder nur ein paar Tage traurig sein und dann ist die Botschaft des Buches definitiv tröstend. Aber ich habe es eben auch erlebt, dass bereits Kinder im Grundschulalter etwas Tieferes als eine Ein-Tages-Traurigkeit entwickelten (gerade aktuell nicht verwunderlich) und dass dann die Gefahr bestünde, sie würden sich noch unverstandener fühlen, als Erwachsene es bei so einer Aussage tun.
      Vielleicht bietet auch gerade das dann einen Gesprächsanlass mit den Kindern. Ich weiß es nicht.

      Liebe Grüße und ein schönes Wochenende!
      ISa

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