Rezension | "Hinter dem Bahnhof liegt das Meer" - Jutta Richter

Samstag, 20. März 2021

Neuner hat einen Traum:
Neuner will ans Meer, dorthin, wo es warm ist und die Zitronen wachsen. Ohne Geld kommst du nicht weit, erklärt Kosmos, der Stadtstreicher, dem er sich angeschlossen hat. Gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach dem nötigen Reisegeld. Doch das Einzige, was Neuner verkaufen könnte, wäre sein Schutzengel. Aber den gibt man ja wohl nicht her. Oder doch? (Quelle: dtv)

Erscheinungsjahr: 2001 (3. Auflage 2015)
Format: Taschenbuch
Seiten: 94
Genre: Kinderbuch
Verlag: dtv Reihe Hanser


"Was soll man denn machen, denkt die Königin. Was kann man denn anderes tun, wenn da einer steht, der das Einzige hergeben will, das er besitzt, für seinen Traum?" (S. 52)


"Hinter dem Bahnhof liegt das Meer" ist kein langer Roman. Er ist auch nicht schwer zu lesen oder mit komplizierten Protagonisten. Das Buch handelt ganz einfach von Neuner und Kosmos. Neuner heißt Neuner, weil er neun Jahre alt ist. Wie alt Kosmos ist, erfährt der Leser nicht - nur, dass er schon erwachsen ist und lange auf der Straße lebt. Dort lernen sich die beiden auch kennen und freunden sich an. Gemeinsam beschließen sie, dass sie unbedingt ans Meer reisen müssen, weil dort alles besser ist. 

Auch wenn das Buch ziemlich flott durchgelesen werden kann, war es für mich, als hätte ich einen richtig langen Roman gelesen, weil einfach so viele Emotionen zwischen den Zeilen stecken. Emotionen, die gar nicht wirklich in Worte gefasst werden (können) und trotzdem da sind. Da ist die Sehnsucht nach einem besseren Leben, eine bittere Melancholie, der feste Glauben des kleinen Neuners an seinen Schutzengel und seine Entscheidung, ihn trotzdem zu verkaufen. Für die gemeinsame Reise. Den gemeinsamen Traum. 

Es ist nicht wirklich klar, wer die Geschichte eigentlich erzählt, man blickt immer hier und dort mal auf die unterschiedlichen Protagonisten und versteht sie sofort. Obwohl sie fast wie Traumgestalten sind, niemand hat einen richtigen Namen und die Schicksale klingen so normal, aber gleichzeitig...fern. Ich weiß auch nicht. Richter schafft eigentlich nur Protagonisten, die irgendwann einmal eine Perspektive und Wünsche hatten und dann vom Weg abkamen. Aber die Kernbotschaft ist trotzdem: 

Es wird irgendwann alles wieder gut. 

Ich habe mich nach dem Lesen ziemlich benommen gefühlt; und ich denke, ich werde das Buch beizeiten noch einmal lesen müssen, um alles zu verstehen. Daher denke ich auch, das Buch ist zwar als Kinderbuch deklariert, allerdings sehe ich viel Redebedarf über die Lektüre hinaus und finde, man kann das Buch gut mit Kindern gemeinsam lesen, es dann aber auch als Anlass nehmen, über die Themen, die in der Geschichte angeschnitten werden, zu sprechen.

"Hinter dem Bahnhof liegt das Meer" ist eine ganz klare Leseempfehlung. Ich bin immer froh, wenn ich noch so lange nach dem Ende des Buches von der Geschichte berührt werde, denn das heißt, ich habe die richtige Wahl getroffen. Neuner, Kosmos und die anderen Protagonisten haben sich in mein Herz geschlichen und möchten dort nun nicht mehr so schnell wieder raus. Ich wünsche euch, dass ihr dem Buch vielleicht irgendwann auch eine Chance gebt, denn das ist es wirklich wert! 

Liebe Grüße,
eure Isa

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