Buchempfehlung | "Zwischen Welten" - Juli Zeh & Simon Urban

Freitag, 5. April 2024

*Disclaimer: Ich habe keine Ahnung, warum das Bild so schlecht ist. Habe mehrfach hochgeladen, die Formate geändert, aber es wird einfach nicht besser.*

Zwanzig Jahre sind vergangen: Als sich Stefan und Theresa zufällig in Hamburg über den Weg laufen, endet ihr erstes Wiedersehen in einem Desaster. Zu Studienzeiten waren sie wie eine Familie füreinander, heute sind kaum noch Gemeinsamkeiten übrig.
Stefan hat Karriere bei Deutschlands größter Wochenzeitung DER BOTE gemacht, Theresa den Bauernhof ihres Vaters in Brandenburg übernommen. Aus den unterschiedlichen Lebensentwürfen sind gegensätzliche Haltungen geworden. Stefan versucht bei seiner Zeitung, durch engagierte journalistische Projekte den Klimawandel zu bekämpfen. Theresa steht mit ihrem Bio-Milchhof vor Herausforderungen, die sie an den Rand ihrer Kraft bringen.
Die beiden beschließen, noch einmal von vorne anzufangen, sich per E-Mail und WhatsApp gegenseitig aus ihren Welten zu erzählen. Doch während sie einander näherkommen, geraten sie immer wieder in einen hitzigen Schlagabtausch um polarisierende Fragen wie Klimapolitik, Gendersprache und Rassismusvorwürfe. Ist heute wirklich jeder und jede gezwungen, eine Seite zu wählen? Oder gibt es noch Gemeinsamkeiten zwischen den Welten? Und können Freundschaft und Liebe die Kluft überbrücken? (Quelle: Penguin Randomhouse)


Das folgend besprochene Buch gehört in diesem noch jungen Jahr schon zu meinen Lesehighlights. Zugegeben, ich habe noch nicht viele Werke Zehs gelesen, "Corpus delicti" habe ich zu oft unterbrochen, als dass es mich packen konnte, "Unter Leuten" habe ich in der ZDF-Verfilmung gesehen und nicht gelesen, erst "Über Menschen" hat mich dann irgendwie auch vom Setting, der Protagonistin und der Art des Romanaufbaus angesprochen. Allerdings fehlte dort ein Ende, das mich überzeugen konnte...

So, nun ist "Zwischen Welten" kein klassischer Roman und mir wurde vorher gesagt, "Diese Art mit dem Briefwechsel, da musst du dich erst dran gewöhnen." Kein Ding, Glattauers "Gut gegen Nordwind" habe ich geliebt, dieses Format kenne ich. In meinen Wattpad-Jahren habe ich mich selbst an so einem Briefroman versucht (naja, mehr schlecht als recht, aber der Versuch zählt). 
Also bin ich guter Dinge in das Leseerlebnis gestartet und habe schnell gemerkt, die Themen des Buches sind gruselig nah an den aktuellen Gesellschaftsentwicklungen. Klar, das ist Juli Zehs Spezialgebiet. Aber hier hatte ich beim Lesen das Gefühl, die vergangenen zwei, drei Jahre noch einmal zu durchleben. Ukraine-Krieg, Klimaaktivismus und die (beginnenden) Bauern-Proteste, das alles findet in diesem Roman von Zeh und Urban seinen Platz. Tatsächlich habe ich den Eindruck, dass die Briefform genau die richtige Wahl ist, um die extrem unterschiedlichen Standpunkte der Protagonisten zu verknüpfen, ohne eine schnell unrealistisch wirkende Handlung drum herum zu entspinnen. Der Roman ist ohne viel Schnickschnack auf den wesentlichen Konflikt der Figuren Theresa und Stephan reduziert und trotzdem so beeindruckend gestaltet, dass man wirklich ins Grübeln kommt.
Das Faszinierende ist, Theresa und Stephan durchleben eine solche persönliche Veränderung, dass meine eigenen Perspektiven auf die Dinge ins Wackeln geraten sind. In beiden Protagonisten (die eine spannende Entwicklung im Laufe des Romans durchleben) habe ich mich zu unterschiedlichen Zeitpunkten wiedergefunden und mitgefiebert, ob die beiden nicht endlich zu einem Konsens in ihrem ausdauernden Streitgespräch finden. Im Nachhinein glaube ich nicht, dass es zu überhaupt einem einzigen Punkt des Romans Ziel war, eine Meinung als "die Richtige" und die andere als "die Falsche" zu erklären oder das Nonplusultra der Sicht auf die Dinge zu beschreiben. 
Die Hintergründe der Protagonisten waren spannend gewählt, gut illustriert und (teilweise) von einer Schärfe, die mir gnadenlos den Spiegel vorhielt. 
Die Situation der Landwirte und die Frage nach der Verantwortung von Journalismus hat mich bis jetzt tief in Gedanken zurückgelassen. Es ist gut, dass es Bücher gibt, die man den machtbesitzenden Menschen einfach so in die Hand drücken und sie zum Lesen zwingen sollte. Ich hoffe, nicht nur ich hinterfrage nun stärker denn je meine Rolle in der Gesellschaft (das klingt zu groß), vor allem auch meine Aufgabe in der Institution Schule und die Werte, die ich meinen Schüler*innen im Unterricht vermittle.
"Zwischen Welten" ist ein Brandbrief an Politik und Gesellschaft in Form eines hochaktuellen Romans und nicht nur lesenswert, sondern dringend zu empfehlen. 

1 Kommentar

  1. Huhu!

    Ich hab ja von der Autorin bisher noch nichts gelesen, aber dieser Roman spricht mich irgendwie total an! Ich lese zwar sehr ungern über "aktuelle Geschehnisse", einfach weil ich das eh jeden Tag überall höre und sehe und ich beim Lesen lieber in andere Welten abtauche - aber gerade der Konflikt und das Entgegenstellen der Meinungen hier scheint sehr gelungen zu sein.
    Vor allem: keine Meinung als "gut" oder "schlecht" darzustellen, sondern zu zeigen, dass jeder Gründe hat für seine Meinung und man eben auch mal darüber nachdenken sollte, warum jemand anderer Überzeugung ist, das ist das wichtige dass vielen Menschen heutzutage leider fehlt.
    Danke für deine Vorstellung! Ich hoffe, ich komme bald dazu, es zu lesen :)

    Liebste Grüße, Aleshanee

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