Ich stehe an der
Bushaltestelle und warte, warte auf den Bus und mein Leben und das Glück
und die Zukunft. Es ist kalt. Der Regen durchnässt meine Schuhe, die
sowieso mehr Dreck als Schuh sind, ich betrachte die verschiedenen
Schmutzschichten und frage mich, wie sie unter dem Schmutz eigentlich
ausgesehen haben. Meine Füße sind klamm und schmatzen in den Schuhen,
wenn ich die Zehen bewege, die ich kaum noch spüre, weil sie langsam,
aber stetig abfrieren.
Es ist Mitte November
und die ach so glücklichen Paare und gestressten Mütter und
vielzualtaussehenden Väter sind schon jetzt vom hektischen
Vorweihnachtskaufrausch befallen, schmeißen hier und da und dort ihr
sauer verdientes Geld für supertolle Glitzerpuppen und den zehnten Haute
Couture-Trend-Übergangsregentrenchcoat den schnuckeligen Verkäuferinnen
in den Rachen, weil die Jacke ist doch chic und ach Schatz, für genau
diese zwei Übergangswochen zwischen Sommer und Herbst habe ich noch
keine Jacke, auch wenn es fast schon wieder Winter ist und sie nächstes
Jahr sicher längst out sein wird.
Die Anzeige am
Busbahnhof wechselt auf drei Minuten, dann sechs, dann zwei. Vom
rostigen Dach der Haltestelle tropft es genau auf meinen Scheitel, aber
ich bemerke es kaum, ich bin eh schon durchweicht und zittrig vom Regen,
den eine Windböe frontal in mein Gesicht weht. Ich würde gern einen
Schritt zurück gehen, mich tiefer in dem Bushäuschen verkriechen, aber
hinter mir steht einer dieser vielzualten Väter und atmet in meinen
Nacken und ich weiß nicht ob mit Absicht oder nicht. Einen Schritt vor
kann ich auch nicht, denn es regnet immer noch vom trüben
novemberwolkenbehangenen Großstadthimmel. Die Anzeige zeigt 4 Minuten
an, ich stehe hier schon seit zwölf und warte auf den Bus, der alle zehn
Minuten fährt, angeblich.
Es riecht nach feuchter
Straße, Hund und verbranntem Müll und da fällt mir ein, ich muss zuhause
noch den Köter füttern, sonst jault er wieder die ganze Nacht. Er
gehört mir nicht, irgendwann war er einfach da und ging nicht mehr weg,
weder er noch seine Haare auf all meinen Klamotten. Der heiße Atem in
meinem Nacken ist immer noch da, jetzt sogar noch näher, aber niemand
schaut von seinem Handy auf und ich schaue nach vorn, das Gesicht mutig
dem Regen zugewandt. Es ist ein bisschen wie auf einem Boot, nur ohne
das Schaukeln. Aber genauso windig, genauso nass. Ich bin auf einem Boot
und stehe ganz vorn am Bug, höre das Rauschen des Meeres, dann bläst er
mir seinen Atem entgegen und ich bin zurück an der Bushaltestelle. Noch
zwei Minuten, sagt die Anzeige.
Jetzt gehen die
Straßenlaternen an, zack zack zack, eine nach der anderen wirft uns ihr
matschiges gelbes Licht entgegen und wir wartenden Bus-Boots-Passagiere
schließen die Augen, um so zu tun, als wäre es Sonnenlicht. Doch der
Regen macht den schönen Schein kaputt, lässt die Sehnsucht in Bächen
unsere Gesichter herunterrinnen und Pfützen zu unseren Füßen bilden. In
der Ferne erkenne ich die sich rasch nähernden Scheinwerfer eines
Busses, aber er ist brechend voll und hält gar nicht erst an. Begrüßt
uns nur mit einem Schwall braunem Bordsteinkantenwasser, während er
vorbeizischt, die Rücklichter zu einer schadenfrohen Fratze verzogen.
Die Anzeige lacht uns
aus und zeigt zehn Minuten an. Der heiße Atem in meinem Nacken lacht
auch. Ich trete einen Schritt in den Regen hinaus und gehe zu Fuß.
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