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Gedankenstriche | Ich träume mich zurück

Freitag, 1. April 2022


Ich träume mich zurück zu unendlich langen Sommertagen
die wir als Hexen oder Indianer in den Wäldern verbrachten.
Als es uns gleich war, was außerhalb unserer Welt geschah,
all das Leid,
das uns nicht berührte,
und die Angst,
die uns nicht kannte,
und der Schmerz,
den wir nicht spürten,
weil wir jung waren
und noch so glücklich.

Ich träume mich zurück
Zu den Abenden im Garten
Wo Stille unser Sein
Und Freude unser Morgen war.

Gedankenstriche | Draußen ist Sommer, es schneit. Hier drin.

Donnerstag, 17. März 2022

Manchmal kommt da diese Trauer. Urplötzlich. Ohne Vorwarnung. Eben noch gelacht, gestaunt, gelebt, und dann - nichts mehr. Körperlich: Lähmung. Völliges Entgleisen aller Gesichtszüge. Das Herz sackt mit einem -Rums- ungefähr einen halben Meter nach unten. Dahin, wo sich in diesem Moment sämtliche Organe zu befinden scheinen. Dahin, wo es sich anfühlt, als braue sich ein Gewitter zusammen. Eines, das schwarz, stickig und bedrohlich aussieht. Ein Unwetter, bei dem Wir wissen, Flucht ist keine Option. Wir können nichts tun, außer abwarten und hoffen und aushalten, dass sich die Beklemmung wie ein Schraubstock um den Brustkorb schließt. Vor Uns selbst wegrennen funktioniert nicht. Wie auch.

Irgendwo zwischen Sehen und Denken hat etwas gefunkt, zack, Kurzschluss. Alle Lichter aus. Ende Gelände. 

Draußen ist Sommer, es schneit. Hier drin.

[Gedankenstriche] Eine Zeitschleife. 1 Jahr.

Mittwoch, 3. Februar 2021

Mittlerweile bin ich seit 11 Monaten nicht mehr in der Uni gewesen, jedenfalls nicht regelmäßig, und die wenigen Male, die ich dort in einem Saal oder meinem Büro saß, kamen mir seltsam fremd vor. Aber wenn ich ehrlich bin, erscheint mir vieles aus den vergangenen Monaten fremd und ich kann nicht glauben, dass das alles wirklich war und dass das erst/schon ein Jahr her ist. 
"Habt ihr schon von diesem Virus gehört? Daran sind schon 3 Menschen in China gestorben." - "Krass, nein, noch nicht gehört, wie heißt das?". Januar 2020. 
März 2020, die Buchmesse wird abgesagt, ich sitze gerade in dem letzten Präsenzseminar für eine lange, lange Zeit und weiß nicht, ob ich weinen oder das alles weiterhin völlig suspekt finden soll. Irgendwie ist es doch nicht mehr so weit entfernt, wie ich glaube. 

Kauft Bücher; hamstert Bücher statt Klopapier, sagen sie alle und ich sage es auch und kaufe, kaufe, kaufe, denn die Messe fällt ja aus und da darf man sich schon etwas gönnen. "Wenn ich zurückkomme, ist Sommer" lautet der Titel eines Buches, das ich von meinem tollen kleinen Buchladen zugeschickt bekomme und ich fühle tatsächlich so etwas wie Vorfreude - auf den Sommer, auf das wunderschön aquarellierte Buch und auf die neue Zeit. Fast alle sind zu Hause, es ist gar nicht mal schlecht, in der Mittagspause schnell die Gartenhandschuhe überstreifen zu können und ein bisschen in der Erde zu wühlen. 

Schubladendenken

Montag, 30. März 2020

Heute habe ich
eine Schublade aufgezogen
in meinem Gedächtnis.
Aus Versehen,
ich wusste gar nicht mehr, 
was ich dort alles verstaut hatte.
Und jetzt denke ich,
dass es vielleicht besser gewesen wäre,
sie irgendwie zu markieren,
damit ich sie auf keinen Fall 
versehentlich öffnen kann.

Nun ist die Schublade auseinandergefallen,
so spröde war sie schon,
und all die sorgsam archivierten Erinnerungen 
haben sich 
über meinen Boden der Tatsachen
verteilt,
und mein Blick ist wie 
festgefroren
darauf gerichtet,
und es wird wieder 
so,
so
lange dauern,
bis ich den ganzen Mist
zurück in den Schrank
gestopft habe.

Ohne Titel I

Samstag, 28. Dezember 2019

unscharfe silhouetten
kreisen um mich herum
ich kann keine greifen
in meinen händen
zerfällt alles zu staub
aber 
alle greifen mich
an
und stellen forderungen
und erwartungen
denen ich in diesem nebel
doch gar nicht
gewachsen bin

denen ich
doch gar nicht
gewachsen sein will.

Kurzgeschichte | NOVEMBER

Sonntag, 3. November 2019

Ich stehe an der Bushaltestelle und warte, warte auf den Bus und mein Leben und das Glück und die Zukunft. Es ist kalt. Der Regen durchnässt meine Schuhe, die sowieso mehr Dreck als Schuh sind, ich betrachte die verschiedenen Schmutzschichten und frage mich, wie sie unter dem Schmutz eigentlich ausgesehen haben. Meine Füße sind klamm und schmatzen in den Schuhen, wenn ich die Zehen bewege, die ich kaum noch spüre, weil sie langsam, aber stetig abfrieren. 

Es ist Mitte November und die ach so glücklichen Paare und gestressten Mütter und vielzualtaussehenden Väter sind schon jetzt vom hektischen Vorweihnachtskaufrausch befallen, schmeißen hier und da und dort ihr sauer verdientes Geld für supertolle Glitzerpuppen und den zehnten Haute Couture-Trend-Übergangsregentrenchcoat den schnuckeligen Verkäuferinnen in den Rachen, weil die Jacke ist doch chic und ach Schatz, für genau diese zwei Übergangswochen zwischen Sommer und Herbst habe ich noch keine Jacke, auch wenn es fast schon wieder Winter ist und sie nächstes Jahr sicher längst out sein wird.

Die Anzeige am Busbahnhof wechselt auf drei Minuten, dann sechs, dann zwei. Vom rostigen Dach der Haltestelle tropft es genau auf meinen Scheitel, aber ich bemerke es kaum, ich bin eh schon durchweicht und zittrig vom Regen, den eine Windböe frontal in mein Gesicht weht. Ich würde gern einen Schritt zurück gehen, mich tiefer in dem Bushäuschen verkriechen, aber hinter mir steht einer dieser vielzualten Väter und atmet in meinen Nacken und ich weiß nicht ob mit Absicht oder nicht. Einen Schritt vor kann ich auch nicht, denn es regnet immer noch vom trüben novemberwolkenbehangenen Großstadthimmel. Die Anzeige zeigt 4 Minuten an, ich stehe hier schon seit zwölf und warte auf den Bus, der alle zehn Minuten fährt, angeblich.