Erscheinungsjahr: 2020
Format: gebunden
Format: gebunden
Seiten: 304
Genre: Jugendbuch
Verlag: Hanser
Menschen, die vor Gefahren flüchten, gab es schon immer. Kinder, die ihr Zuhause verlieren, auch. Es ist nichts Außergewöhnliches und für uns in unserem behüteten und sicheren Leben so unvorstellbar. Wir verschließen die Augen davor und geben uns betroffen, wenn wir es einmal doch nicht rechtzeitig schaffen, wegzugucken. Mir geht es auch so.
Wie es für die Kinder ist, die aus ihrer Heimat vertrieben, aus ihrem Alltag gerissen werden, alles aufzugeben für eine vage Hoffnung auf Freiheit, erzählt Alan Gratz sehr gut recherchiert in "Vor uns das Meer". Ich hatte zuerst etwas Schwierigkeiten, über die ersten Seiten hinwegzukommen, da die Geschichte ausgerechnet mit Isabel und ihrem Leben in Kuba startet, wozu ich persönlich die wenigsten Verbindungen habe, aber dann habe ich mich überwunden, weiterzulesen und das Buch innerhalb eines Tages beendet.
Wirklich Leute, es ist grandios.
Die Schicksale der drei Kinder und ihren Familien gehen zu Herzen, mir kamen oft die Tränen aufgrund der Ausweglosigkeit ihrer Situationen, in denen sie sich trotzdem immer noch einen Funken Hoffnung bewahrt haben. Es ist verblüffend, wie ähnlich sich die Kinder sind, obwohl sie aus ganz unterschiedlichen "Epochen" stammen - ihre Sorgen, Ängste und vor allem die persönliche (erzwungene) Reifung und das frühe Erwachsenwerden werden ebenso aufschlussreich dargestellt wie die Alternativlosigkeit der Flucht. Wer eine Perspektive haben, ja, überleben will, flieht.
Dass die Flucht sowohl Erwachsene als auch Kinder an ihre äußersten Grenzen treibt und nicht immer alles gut ausgeht, beschreibt Alan Gratz ungeschönt. Diese Ungeschöntheit ist zwar realistisch, lässt mich aber auch dazu neigen, dieses Buch eher älteren Kindern/Jugendlichen zu empfehlen.
Gerade die psychischen Auswirkungen des Fliehens und der Dinge, die die Familien vorher erlebt haben, halte ich nicht für geeignet für junge Kinder. Selbst mir fiel es schwer, die Erzählungen von Josefs Vater aus dem KZ Dachau und sein eigenes gebrochenes Verhalten zu ertragen. Vor allem aus der Sicht eines Kindes, welches dadurch in die Rolle des Mannes gezwungen wird.
Allerdings hatten wir auch in der Uni schon die Diskussion, wie belastbar junge LeserInnen sind und welche Art von Literatur geeignet ist. Andere Kommilitonen und meine Dozentin vertraten die Meinung, dass Kinder durchaus Bücher, in denen es um Krieg, Verfolgung usw. geht, lesen und ertragen können und auch wissen wollen, wie es z.B. damals im zweiten Weltkrieg war.
Ich verstehe diesen Standpunkt auch, aber durch meine eigene Sensibilität und schlechten Erfahrungen mit (für Kinder) brutalen Texten kann ich nicht selbst dahinter stehen.
Was mich an dem Buch schlussendlich jedoch absolut begeistert hat, war das ausführliche Nachwort des Autors, in welchem er die Realitätsbezüge und die eigene künstlerische Freiheit zu den einzelnen Schicksälen erklärt hat. "Vor uns das Meer" orientiert sich sehr stark an dem realen Verlauf der Krisen, einzelne Ereignisse werden aber zusammengefügt. Interessant fand ich auch, dass Alan Gratz sein eigenes Nachwort zwei Jahre später noch einmal reflektiert hat und mit den aktuellen politischen Vorgängen verglichen hat.
Das Nachwort ist auf jeden Fall ein Lese-Muss, aber aufgrund von Spoilern sollte es tatsächlich erst im Nachhinein gelesen werden.
Mich hat das Buch berührt, ich habe viel gelernt und lege euch ans Herz, es ebenfalls zu lesen.
Ich habe das Buch auch gelesen und fand es ebenfalls richtig gut!
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Martina
Hallo Martina,
Löschenich freue mich, dass dir das Buch auch so gut gefallen hat wie mir! Viel Spaß beim Lesen <3
Isa
Sehr tolles Buch. Die Geschichten aus dem 2. Weltkrieg beschäftigen mich seit je her. Danke für die Rezension!
AntwortenLöschenHallo Sandra!
LöschenVielen Dank für deinen lieben Kommentar. Mir geht es ähnlich, Schicksale aus dem zweiten Weltkrieg üben auf mich eine seltsame Faszination aus, vielleicht, weil es sich so surreal anfühlt und trotzdem tatsächlich passiert ist.
Liebe Grüße,
Isa
Hallo Isa
AntwortenLöschenIch freue mich sehr wieder den Weg zu den ganzen Bloggern zurückgefunden zu haben. :)
Wie immer gefällt mir dein Beitrag sehr! Dein Schreibstil ist einfach so schön und liest sich für mich sehr flüssig.
Das Buch scheint dich ja echt berührt zu haben ♥. Ehrlich gesagt lese ich nicht sehr gerne "reale" Geschichten. Ich bin ziemlich emotional und würde sofort gehen wollen um den Menschen dort zu helfen, auch wenn ich weiss das dort helfen so schwierig ist... Ich habe ja auch mal die Geschichte "Im Meer schwimmen Krokodile" gelesen und meine Güte das hat mich echt mitgenommen. :(
Hoffentlich geht es dir gut!
Beste Grüsse
Pascale ♥
Hallo Pascale!
LöschenDas ist ja schön, mal wieder von dir zu hören :)
Ich habe mit dem Buch zuerst wirklich gekämpft - ich wollte es zwar unbedingt lesen und habe es ja extra beim Verlag angefragt und auch zugeschickt bekommen, aber dann bin ich durch das sehr fremde Setting (Kuba) schlecht reingekommen. Hat sich aber wirklich gelohnt, weiterzulesen!!!
Ich kann aber auch verstehen, dass das vielleicht nicht so dein Genre ist. Manchmal Ist es einfach zu viel; zu wissen, dass das alles real ist und man nichts dagegen tun kann. "Im Meer schwimmen Krokodile" möchte ich unbedingt noch lesen, das steht sogar in einem meiner letzten Posts :D
Viele liebe Grüße,
Isa
Hallo liebe Isa,
AntwortenLöschendieses Buch hatte ich bislang noch nicht im Blick. Sowohl die Thematik, als auch deine Meinung zum Buch haben mich sehr angesprochen. Ich danke dir für diese interessante Buchvorstellung.
Liebe Grüße
Tanja
Liebe Tanja,
Löschenich freue mich, dass dich das Buch anspricht und hoffe, du kommst irgendwann mal in den Genuss, es zu lesen! Es ist manchmal unangenehm und hoffnungslos, aber auch sehr wertvoll.
Viele liebe Grüße,
Isa