Rezension | "Das Mädchen aus Glas" - Julie Hilgenberg

Mittwoch, 7. Oktober 2020

Guten Morgen, guten Mittag und guten Abend, Freunde! ;-)
Ich bin seit Kurzem wieder etwas aktiver in der Buch- und Rezensions-Szene (naja, eigentlich nicht, aber ich fühle mich wieder bereit dazu) und deshalb finde ich, es ist ein guter Zeitpunkt, um euch ein Buch vorzustellen, welches ich im Urlaub gelesen habe. Es war wirklich perfekt für die paar Tage Erholung und wird definitiv noch ein zweites Mal gelesen:
"Berlin, 1913. Elisa leidet unter der seltenen und wenig erforschten Glasknochenkrankheit, weshalb sie ihr wohlbehütetes Zuhause kaum verlässt. Louis ist ein Draufgänger und liebt das Risiko. Die von den Eltern vereinbarte Eheschließung erscheint ihnen zunächst wie eine Bestrafung – zumal Elisa in ihren Arzt Wilhelm verliebt ist. Doch während der Erste Weltkrieg heraufzieht, kommen Elisa und Louis sich näher. Als die beiden Männer an die Front müssen, zeigt sich, wie stark Elisa wirklich ist – und sie erfährt, was es bedeutet, wahrhaftig zu lieben." (Randomhouse.de)

Erscheinungsjahr: 2020
Format: Taschenbuch
Seiten: 512
Genre: Roman
Verlag: Diana

Diese Geschichte hat mich ganz ehrlich verzaubert. Bücher mit dem Handlungsort "Berlin" scheinen eine besondere Faszination auf mich auszuüben, das habe ich schon bei "Das Café unter den Linden" von Joan Weng gemerkt (welches ich auch unbedingt rezensieren wollte, aber...die Zeit!) und damals in der Schule, als wir Falladas "Kleiner Mann - Was nun?" gelesen haben und es alle außer mir grässlich fanden, aus dem einfachen Grund: Schullektüre. 
Ich denke, ich verfasse in der nächsten Zeit einen Sammelpost mit schönen, interessanten und lesenswerten Büchern über/in/aus Berlin, weil ich einen Ordnungsfimmel habe und gern Bücher sortiere :-) Dabei mag ich Berlin gar nicht so sehr. Es ist die Stadt, in der ich die ersten fünf Lebensjahre teilweise verbracht habe, aber ich kann weder Preise für die schönste, freundlichste oder sauberste Stadt vergeben. Ganz im Gegenteil. Aber die Geschichte der Stadt und wie sie früher für die Menschen war, die dort gelebt haben, finde ich hochspannend und irgendwie auch heimisch. 

Also - kommen wir nun zum Inhalt des Romans, um den es hier eigentlich gehen soll: "Das Mädchen aus Glas" von Julie Hilgenberg. Die Geschichte startet mit einem Prolog, dessen erster Satz folgender ist:
"Am Tag ihres siebten Geburtstags hatte Elisas Gefangenschaft begonnen." (Hilgenberg, 2020, S. 5)
Mich hat dieser Satz sehr bestürzt, aber er hat auch meine Neugier geweckt. Ein siebenjähriges Mädchen in Gefangenschaft? Oder in einem Wohnverhältnis, welches sich für sie wie Gefangenschaft anfühlt? Ich will mehr wissen! 
Der Großteil des Romans ist aus Elisas Sicht geschrieben, und zwar so feinfühlig, dass ich mich ihr sofort verbunden gefühlt habe. Der/Die Lesende lernt eine Protagonistin kennen, die scharfsinnig, selbstbewusst und nachdenklich ist, die jedoch durch die Jahre ihrer Krankheit und der rigorosen Herrschaft ihrer Mutter jeglichen Lebensmut verlor. Elisa existiert nur noch - bis zu dem Tag, an dem sie ihren zukünftigen Ehemann kennenlernen soll, einen Mann, der erstens nicht nur nicht ihr geliebter Freund und Arzt Wilhelm ist, sondern zweitens und zu allem Überfluss auch noch ein Frauenheld, der sich aus den Familiengeschäften raushält und viel lieber von Bett zu Bett junger (un-)verheirateter Damen springt. 

Natürlich hört sich das nach einer großen Portion Klischee an (ja, das ist es auch), aber es ist mir zu keiner Zeit während des Lesens zu viel geworden. Ja, Louis ist ein Macho, aber es ist spannend, seine, Wilhelms und Elisas Entwicklung zu "erleben" und ich sage euch - jede Figur in diesem Buch entwickelt sich weiter und das ist das Schöne. Ich habe in letzter Zeit leider einige Romane gelesen, die viiiiieel zu oberflächlich blieben (aus vielerlei Gründen) und da ist "Das Mädchen aus Glas" ein starkes Gegenteil. 

Ich finde die Protagonisten und ihre Persönlichkeit sehr durchdacht und die Spannungskurve angemessen - in einigen Büchern ist sie ja leider übertrieben deutlich oder nicht existent. Hier steigt die Spannung zwar langsam, aber stetig und nicht immer so, wie man sich vorgestellt hat, wie es verlaufen würde...manchmal hat Louis einen Abrutscher zu viel für meinen Geschmack gehabt, sodass ich dachte, wir bewegen uns nicht wirklich von der Stelle, aber jedes Mal wurde es nach kurzer Zeit wieder interessanter und ich wieder hoffnungsvoller auf ein Happy End ;-) Auffallend fand ich, dass alle Charaktere sehr realistisch und menschlich sind; Leute, die uns ständig im Alltag begegnen, auch wenn wir natürlich über 100 Jahre weiter sind in der Zeit...diese Ähnlichkeit hat es mir leicht gemacht, viele Figuren lieb zu gewinnen. 

Ein Teil meines Interesses am Fortlauf der Handlung war dem Klappentext geschuldet, weil dort ja geschrieben wird, dass beide Männer an die Front müssen. Dieses Ereignis schwebte die gesamte Lesezeit über wie eine große dunkle Wolke über mir und hat mich unruhig gemacht, denn die Kapitel sind mit dem Datum betitelt und so konnte ich natürlich mitverfolgen, wie der Erste Weltkrieg immer näher rückte...ich bin jedoch sehr zufrieden mit dem Ende, auch wenn es absehbar war, wie es verlaufen wird. Ich bin froh, dass alles gut ausgeht, auch wenn ein eher weniger "gutes" Ende definitiv auch dem Geist der Geschichte entsprochen hätte - und vielleicht auch mehr zum Nachdenken anregen würde. Deshalb lautet meine Bewertung auch:

Bewertung

denn für ein "außergewöhnliches" Buch fehlte mir das gewisse Etwas, das mich bei eben solchen Büchern noch lange nach dem letzten Kapitel in seinem Bann gefangen hält. Für den Urlaub und ein paar Tage ohne schlechte Einflüsse war es aber genau das Richtige.


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